Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 322

   
         
 

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  01 sie übt, belehrt und für die häusliche Gesellschaft erzieht, drittens sie als    
  02 ein systematisches (nach Vernunftprincipien geordnetes), für die Gesellschaft    
  03 gehöriges Ganze regiert; wobei aber das Charakteristische der    
  04 Menschengattung in Vergleichung mit der Idee möglicher vernünftiger    
  05 Wesen auf Erden überhaupt dieses ist: daß die Natur den Keim der Zwietracht    
  06 in sie gelegt und gewollt hat, daß ihre eigene Vernunft aus dieser    
  07 diejenige Eintracht, wenigstens die beständige Annäherung zu derselben    
  08 herausbringe, welche letztere zwar in der Idee der Zweck, der That nach    
  09 aber die erstere (die Zwietracht) in dem Plane der Natur das Mittel einer    
  10 höchsten, uns unerforschlichen Weisheit ist: die Perfectionirung des Menschen    
  11 durch fortschreitende Cultur, wenn gleich mit mancher Aufopferung    
  12 der Lebensfreuden desselben, zu bewirken.    
         
  13 Unter den lebenden Erdbewohnern ist der Mensch durch seine technische    
  14 (mit Bewußtsein verbunden-mechanische) zu Handhabung der    
  15 Sachen, durch seine pragmatische (andere Menschen zu seinen Absichten    
  16 geschickt zu brauchen) und durch die moralische Anlage in seinem Wesen    
  17 (nach dem Freiheitsprincip unter Gesetzen gegen sich und andere zu handeln)    
  18 von allen übrigen Naturwesen kenntlich unterschieden, und eine jede    
  19 dieser drei Stufen kann für sich allein schon den Menschen zum Unterschiede    
  20 von anderen Erdbewohnern charakteristisch unterscheiden.    
         
  21 I Die technische Anlage. Die Fragen: ob der Mensch ursprünglich    
  22 zum vierfüßigen Gange (wie Moscati, vielleicht blos zur Thesis für    
  23 eine Dissertation, vorschlug), oder zum zweifüßigen bestimmt sei; - ob    
  24 der Gibbon, der Orangutang, der Schimpanse u. a. bestimmt sei (worin    
  25 Linneus und Camper einander widerstreiten); - ob er ein Frucht- oder    
  26 (weil er einen häutigen Magen hat) fleischfressendes Thier sei; - ob, da    
  27 er weder Klauen noch Fangzähne, folglich (ohne Vernunft) keine Waffen    
  28 hat, er von Natur ein Raub= oder friedliches Thier sei - - die Beantwortung    
  29 dieser Fragen hat keine Bedenklichkeit. Allenfalls könnte diese    
  30 noch aufgeworfen werden: ob er von Natur ein geselliges oder einsiedlerisches    
  31 und nachbarschaftscheues Thier sei; wovon das letztere wohl das    
  32 Wahrscheinlichste ist.    
         
  33 Ein erstes Menschenpaar, schon mit völliger Ausbildung mitten unter    
  34 Nahrungsmitteln von der Natur hingestellt, wenn ihm nicht zugleich ein    
  35 Naturinstinct, der uns doch in unserem jetzigen Naturzustande nicht beiwohnt,    
  36 zugleich beigegeben worden, läßt sich schwerlich mit der Vorsorge    
  37 der Natur für die Erhaltung der Art vereinigen. Der erste Mensch würde    
         
     

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