Kant: AA X, Briefwechsel 1769 , Seite 083

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 binnen einiger Zeit auf Deroselben Universität zu treffen gedächten, bin      
  02 ich bewogen worden, die Gelegenheit zu einem kleinen, aber sicheren Glück,      
  03 nicht übereilt auszuschlagen und bin gleichwohl itzt durch das ungesäumte      
  04 und geneigte Anerbieten dessen, was kurtz vorher mein      
  05 Wunsch war, in Verlegenheit gebracht. Mein Vorsatz, ich bitte Ew:      
  06 Wohlgeb. vergeben Sie es mir, ist seitdem wankend geworden.      
           
  07 Erneuerte und viel vermögende Versicherungen, ein sich hervorthuender      
  08 Anschein einer vielleicht nahen vacance hiesiges Orts, die      
  09 Anhänglichkeit an eine Vaterstadt und ein ziemlich ausgebreiteter      
  10 Kreis von Bekanten und Freunden, am meisten aber meine schwächliche      
  11 Leibesbeschaffenheit, stellen sich in meinem Gemüthe diesem Vorhaben      
  12 auf einmal so mächtig entgegen: daß ich die Ruhe desselben nur      
  13 daselbst ferner hoffe wo ich sie, obzwar in beschwerlichen Umständen,      
  14 bis daher iederzeit gefunden habe; Und da eine bestimmte Erklärung      
  15 ohne Verzug nöthig zu seyn scheint, so gehet dieselbe, mit der inständigsten      
  16 Entschuldigung, wegen der Bemühung, die ich hiebey veranlasset      
  17 haben möchte, dahin: die mir hierunter zugedachte Ehre und      
  18 Versorgung hiedurch gehorsamst zu verbitten. Ich besorge sehr: Ew:      
  19 Wohlgeb. und der hohen Standespersohn Unwillen durch eine vergebliche      
  20 Erwartung, zu der ich Anlas gebe, auf mich zu ziehen.      
  21 Allein Ew: Wohlgeb. kennen die Schwächen in den Charakteren der      
  22 Menschen gar zu gut: daß Sie nicht auf eine nachsichtliche Art ein      
  23 Gemüth, was zu Veränderungen unentschlossen ist, die andern nur      
  24 gering scheinen, den Hindernissen beyzählen solten, über die man, obzwar      
  25 ihre Folgen oft nachtheilig sind, so wenig wie über das Glück      
  26 Meister ist. Ew. Wohlgeb: Nahme wird indessen von meinem Gedächtnisse      
  27 iederzeit mit vorzüglicher Hochachtung aufbehalten werden,      
  28 und, wofern mir nicht der Anschein einer wandelbaren Gesinnung in      
  29 Dero sehr schätzbaren Urtheile entgegen ist, so nehme mir die Erlaubnis      
  30 die Fortdauer von Dero Gewogenheit ferner zu hoffen und      
  31 habe die Ehre mit der größesten Hochachtung iederzeit zu seyn      
           
  32   Ew: Wohlgeb:      
  33 Koenigsberg gehorsamster Diener      
  34 den 15ten Dec Immanuel Kant.      
  35 1769        
           
           
           
     

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