Kant: AA XII, Briefwechsel 1797 , Seite 182

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 obzwar nur nach dem Rechte der Natur, angenommen wird: so      
  02 liegt die Befugnis dazu schon im Begriffe. Aber hier ist eben die      
  03 Frage: ob eine eheliche Beiwohnung, und wodurch sie möglich sey;      
  04 also muß hier bloß von der fleischlichen Beiwohnung (Vermischung)      
  05 und der Bedingung ihres Befugnisses geredet werden. Denn das      
  06 mutuum adiutorium ist blos die rechtlich nothwendige Folge aus der      
  07 Ehe, deren Möglichkeit und Bedingung allererst erforscht werden soll.      
           
  08 2. Sagen Sie: "Kant's Theorie scheint bloß auf einer fallacia      
  09 des Wortes Genuß zu beruhen. Freilich im eigentlichen Genu      
  10 eines Menschen, wie das Menschenfressen, würde es ihn zur Sache      
  11 machen; allein die Eheleute werden doch durch den Beischlaf keine res      
  12 fungibiles." - - Es würde sehr schwach von mir gewesen seyn, mich      
  13 durch das Wort Genuß hinhalten zu lassen. Es mag immer wegfallen,      
  14 und dafür der Gebrauch einer unmittelbar (d.i. durch den Sinn,      
  15 der hier aber ein von allem andern specifisch verschiedener Sinn ist)      
  16 ich sage einer unmittelbar vergnügenden Sache gesetzt werden.      
  17 Beim Genusse einer solchen denkt man sich diese zugleich als verbrauchbar      
  18 (res fungibilis), und so ist auch in der That der wechselseitige      
  19 Gebrauch der Geschlechtsorgane beider Theile unter einander      
  20 beschaffen. Durch Ansteckung, Erschöpfung und Schwängerung (die mit      
  21 einer tödtlichen Niederkunft verbunden seyn kann) kann ein oder der      
  22 andere Theil aufgerieben (verbraucht) werden, und der Appetit eines      
  23 Menschenfressers ist von dem eines Freidenkers (libertin) in Ansehung      
  24 der Benutzung des Geschlechts nur der Förmlichkeit nach unterschieden.      
           
  25 So weit vom Verhältnisse des Mannes zum Weibe. Das vom      
  26 Vater (oder Mutter) zum Kinde ist unter den möglichen Einwürfen      
  27 übergangen worden      
           
  28 3. "Scheint es Ihnen eine petitio principii zu seyn, wenn K.      
  29 das Recht des Herrn an den Diener, oder Dienstboten, als ein persönlich=dingliches      
  30 (sollte heißen: auf dingliche Art [folglich bloß der]      
  31 Form nach] persönliches) Recht beweisen will; weil man ja den Dienstboten      
  32 wieder einfangen dürfe etc. Allein das sey ja eben die Frage.      
  33 Woher wolle man beweisen, daß man jure naturae dieses thun dürfe?"      
           
  34 Freilich ist diese Befugniß nur die Folge und das Zeichen von      
  35 dem rechtlichen Besitze, in welchem ein Mensch den andern als das      
  36 Seine hat, ob dieser gleich eine Person ist. Einen Menschen aber als      
  37 das Seine (des Hauswesens) zu haben, zeigt ein jus in re (contra      
           
     

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