Kant: AA II, Beobachtungen über das ... , Seite 208

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Bücher liebt, weil es sich sehr wohl dabei einschlafen läßt, der Kaufmann,      
  02 dem alle Vergnügen läppisch scheinen, dasjenige ausgenommen, was ein      
  03 kluger Mann genießt, wenn er seinen Handlungsvortheil überschlägt, derjenige,      
  04 der das andre Geschlecht nur in so fern liebt, als er es zu den genießbaren      
  05 Sachen zählt, der Liebhaber der Jagd, er mag nun Fliegen      
  06 jagen wie Domitian oder wilde Thiere wie A.., alle diese haben ein Gefühl,      
  07 welches sie fähig macht Vergnügen nach ihrer Art zu genießen, ohne      
  08 daß sie andere beneiden dürfen oder auch von andern sich einen Begriff      
  09 machen können; allein ich wende für jetzt darauf keine Aufmerksamkeit.      
  10 Es giebt noch ein Gefühl von feinerer Art, welches entweder darum so      
  11 genannt wird, weil man es länger ohne Sättigung und Erschöpfung genießen      
  12 kann, oder weil es so zu sagen eine Reizbarkeit der Seele voraussetzt,      
  13 die diese zugleich zu tugendhaften Regungen geschickt macht, oder weil      
  14 es Talente und Verstandesvorzüge anzeigt, da im Gegentheil jene bei      
  15 völliger Gedankenlosigkeit statt finden können. Dieses Gefühl ist es, wovon      
  16 ich eine Seite betrachten will. Doch schließe ich hievon die Neigung      
  17 aus, welche auf hohe Verstandes=Einsichten geheftet ist, und den Reiz,      
  18 dessen ein Kepler fähig war, wenn er, wie Bayle berichtet, eine seiner      
  19 Erfindungen nicht um ein Fürstenthum würde verkauft haben. Diese      
  20 Empfindung ist gar zu fein, als daß sie in gegenwärtigen Entwurf gehören      
  21 sollte, welcher nur das sinnliche Gefühl berühren wird, dessen auch      
  22 gemeinere Seelen fähig sind.      
           
  23 Das feinere Gefühl, was wir nun erwägen wollen, ist vornehmlich      
  24 zwiefacher Art: das Gefühl des Erhabenen und des Schönen. Die      
  25 Rührung von beiden ist angenehm, aber auf sehr verschiedene Weise. Der      
  26 Anblick eines Gebirges, dessen beschneite Gipfel sich über Wolken erheben,      
  27 die Beschreibung eines rasenden Sturms, oder die Schilderung des höllischen      
  28 Reichs von Milton erregen Wohlgefallen, aber mit Grausen; dagegen      
  29 die Aussicht auf blumenreiche Wiesen, Thäler mit schlängelnden      
  30 Bächen, bedeckt von weidenden Heerden, die Beschreibung des Elysium,      
  31 oder Homers Schilderung von dem Gürtel der Venus veranlassen auch      
  32 eine angenehme Empfindung, die aber fröhlich und lächlelnd ist. Damit      
  33 jener Eindruck auf uns in gehöriger Stärke geschehen könne, so müssen      
  34 wir ein Gefühl des Erhabenen und, um die letztere recht zu genießen,      
  35 ein Gefühl für das Schöne haben. Hohe Eichen und einsame Schatten      
  36 im heiligen Haine sind erhaben, Blumenbetten, niedrige Hecken und in      
  37 Figuren geschnittene Bäume sind schön. Die Nacht ist erhaben, der Tag      
           
     

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