Kant: AA XX, Erste Einleitung in die Kritik der ... , Seite 222

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 geben. Seit geraumer Zeit aber ist es Gewohnheit geworden, eine      
  02 Vorstellungsart ästhetisch, d.i. sinnlich, auch in der Bedeutung zu heißen,      
  03 daß darunter die Beziehung einer Vorstellung nicht aufs Erkenntnißvermögen,      
  04 sondern aufs Gefühl der Lust und Unlust gemeynet wird.      
  05 Ob wir nun gleich dieses Gefühl (dieser Benennung gemäß) auch einen      
  06 Sinn (Modification unseres Zustandes) zu nennen pflegen, weil uns      
  07 ein anderer Ausdruck mangelt, so ist er doch kein objectiver Sinn, dessen      
  08 Bestimmung zum Erkenntniß eines Gegenstandes gebraucht würde,      
  09 (denn etwas mit Lust anschauen oder sonst erkennen, ist nicht bloße      
  10 Beziehung der Vorstellung auf das Object, sondern eine Empfänglichkeit      
  11 des Subjects) sondern der gar nichts zum Erkenntnisse der Gegenstände      
  12 beiträgt.Eben darum, weil alle Bestimmungen des Gefühls blos von      
  13 subjectiver Bedeutung sind, so kann es nicht eine Ästhetik des Gefühls      
  14 als Wissenschaft geben, etwa wie es eine Ästhetik des Erkenntnißvermögens      
  15 giebt. Es bleibt also immer eine unvermeidliche Zweydeutigkeit in dem      
  16 Ausdrucke einer ästhetischen Vorstellungsart, wenn man darunter bald      
  17 diejenige versteht, welche das Gefühl der Lust und Unlust erregt, bald      
  18 diejenige, welche blos das Erkenntnißvermögen angeht, so fern darin      
  19 sinnliche Anschauung angetroffen wird, die uns die Gegenstände nur als      
  20 Erscheinungen erkennen läßt.      
           
  21 Diese Zweydeutigkeit kann indessen doch gehoben werden, wenn      
  22 man den Ausdruck ästhetisch weder von der Anschauung, noch weniger      
  23 aber von Vorstellungen des Verstandes, sondern allein von den Handlungen      
  24 der Urtheilskraft braucht. Ein ästhetisch Urtheil, wenn      
  25 man es zur objectiven Bestimung brauchen wollte, würde so auffallend      
  26 widersprechend seyn, daß man bey diesem Ausdruck wider Mißdeutung      
  27 genug gesichert ist. Denn Anschauungen können zwar sinnlich seyn, aber      
  28 Urtheilen gehört schlechterdings nur dem Verstande (in weiterer      
  29 Bedeutung genommen) zu, und ästhetisch oder sinnlich urtheilen, so      
  30 fern dieses Erkenntniß eines Gegenstandes seyn soll, ist selbst alsdann      
  31 ein Widerspruch, wenn Sinnlichkeit sich in das Geschäft des Verstandes      
  32 einmengt und (durch ein vitium subreptionis) dem Verstande eine      
  33 falsche Richtung giebt; das objective Urtheil wird vielmehr immer nur      
  34 durch den Verstand gefällt, und kann so fern nicht ästhetisch heißen.      
           
    05 dieser — gemäß Klammern g.Z. (Kant), erst Kommata.      
    11 Schlußklammer von Kant hinzugefügt. sondern der erst: welche (Kant).      
    12 beiträgt δ:, sondern in dieser Beziehung, auch wenn man will, für Sachen an sich selbst gelten mögen, welche sie doch in Ansehung des Erkenntnißvermögens gar nicht sind.      
    14 etwa g.Z. (Kant).      
    22 Komma vor: weder      
    25 es v.a. ihn (Kant).      
    26 wider v.a. wieder (Kant). Misdeutung      
    33 vielmehr g.Z. (Kant).      
           
           
     

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