Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 077

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 also auf den Kanon des Verstandes gar keinen Einfluß hat. Sie ist eine      
  02 demonstrirte Doctrin, und alles muß in ihr völlig a priori gewiß sein.      
           
  03 Was ich die angewandte Logik nenne (wider die gemeine Bedeutung      
  04 dieses Worts, nach der sie gewisse Exercitien, dazu die reine Logik die Regel      
  05 giebt, enthalten soll), so ist sie eine Vorstellung des Verstandes und      
  06 der Regeln seines nothwendigen Gebrauchs in concreto , nämlich unter      
  07 den zufälligen Bedingungen des Subjects, die diesen Gebrauch hindern      
  08 oder befördern können, und die insgesammt nur empirisch gegeben werden.      
  09 Sie handelt von der Aufmerksamkeit, deren Hinderniß und folgen, dem      
  10 Ursprunge des Irrthums, dem Zustande des Zweifels, des Scrupels, der      
  11 Überzeugung u. s. w.; und zu ihr verhält sich die allgemeine und reine      
  12 Logik wie die reine Moral, welche bloß die nothwendigen sittlichen Gesetze      
  13 eines freien Willens überhaupt enthält, zu der eigentlichen Tugendlehre,      
  14 welche diese Gesetze unter den Hindernissen der Gefühle, Neigungen und      
  15 Leidenschaften, denen die Menschen mehr oder weniger unterworfen sind,      
  16 erwägt, und welche niemals eine wahre und demonstrirte Wissenschaft abgeben      
  17 kann, weil sie eben sowohl als jene angewandte Logik empirische      
  18 und psychologische Principien bedarf.      
           
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II

     
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Von der transscendentalen Logik.

     
           
  21 Die allgemeine Logik abstrahirt, wie wir gewiesen, von allem Inhalt      
  22 der Erkenntniß, d. i. von aller Beziehung derselben auf das Object, und      
  23 betrachtet nur die logische Form im Verhältnisse der Erkenntnisse auf einander,      
  24 d. i. die Form des Denkens überhaupt. Weil es nun aber sowohl      
  25 reine, als empirische Anschauungen giebt (wie die transscendentale Ästhetik      
  26 darthut), so könnte auch wohl ein Unterschied zwischen reinem und empirischem      
  27 Denken der Gegenstände angetroffen werden. In diesem Falle      
  28 würde es eine Logik geben, in der man nicht von allem Inhalt der Erkenntniß      
  29 abstrahirte; denn diejenige, welche bloß die Regeln des reinen      
  30 Denkens eines Gegenstandes enthielte, würde alle diejenigen Erkenntnisse      
  31 ausschließen, welche von empirischem Inhalte wären. Sie würde auch auf      
  32 den Ursprung unserer Erkenntnisse von Gegenständen gehen, so fern er      
  33 nicht den Gegenständen zugeschrieben werden kann, da hingegen die allgemeine      
  34 Logik mit diesem Ursprunge der Erkenntniß nichts zu thun hat      
  35 sondern die Vorstellungen, sie mögen uranfänglich a priori in uns selbst,      
           
     

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