Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 078

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 oder nur empirisch gegeben sein, bloß nach den Gesetzen betrachtet, nach      
  02 welchen der Verstand sie im Verhältniß gegen einander braucht, wenn er      
  03 denkt, und also nur von der Verstandesform handelt, die den Vorstellungen      
  04 verschafft werden kann, woher sie auch sonst entsprungen sein mögen.      
           
  05 Und hier mache ich eine Anmerkung, die ihren Einfluß auf alle nachfolgende      
  06 Betrachtungen erstreckt, und die man wohl vor Augen haben      
  07 muß, nämlich: daß nicht eine jede Erkenntniß a priori, sondern nur die,      
  08 dadurch wir erkennen, daß und wie gewisse Vorstellungen (Anschauungen      
  09 oder Begriffe) lediglich a priori angewandt werden oder möglich sind,      
  10 transscendental (d. i. die Möglichkeit der Erkenntniß oder der Gebrauch      
  11 derselben a priori) heißen müsse. Daher ist weder der Raum, noch irgend      
  12 eine geometrische Bestimmung desselben a priori eine transscendentale      
  13 Vorstellung, sondern nur die Erkenntniß, daß diese Vorstellungen gar      
  14 nicht empirischen Ursprungs sind, und die Möglichkeit, wie sie sich gleichwohl      
  15 a priori auf Gegenstände der Erfahrung beziehen können, kann      
  16 transscendental heißen. Imgleichen würde der Gebrauch des Raumes      
  17 von Gegenständen überhaupt auch transscendental sein: aber ist er lediglich      
  18 auf Gegenstände der Sinne eingeschränkt, so heißt er empirisch. Der      
  19 Unterschied des Transscendentalen und Empirischen gehört also nur zur Kritik      
  20 der Erkenntnisse und betrifft nicht die Beziehung derselben auf ihren Gegenstand.      
           
  22 In der Erwartung also, daß es vielleicht Begriffe geben könne, die      
  23 sich a priori auf Gegenstände beziehen mögen, nicht als reine oder sinnliche      
  24 Anschauungen, sondern bloß als Handlungen des reinen Denkens,      
  25 die mithin Begriffe, aber weder empirischen noch ästhetischen Ursprungs      
  26 sind, so machen wir uns zum voraus die Idee von einer Wissenschaft des      
  27 reinen Verstandes und Vernunfterkenntnisses, dadurch wir Gegenstände      
  28 völlig a priori denken. Eine solche Wissenschaft, welche den Ursprung, den      
  29 Umfang und die objective Gültigkeit solcher Erkenntnisse bestimmte, würde      
  30 transscendentale Logik heißen müssen, weil sie es bloß mit den Gesetzen      
  31 des Verstandes und der Vernunft zu thun hat, aber lediglich, sofern      
  32 sie auf Gegenstände a priori bezogen wird und nicht wie die allgemeine      
  33 Logik auf die empirischen sowohl als reinen Vernunfterkenntnisse ohne      
  34 Unterschied.      
           
           
     

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