Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 141

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 reinen Verstandesbegriffe gezogen sind; doch wird die Möglichkeit derselben,      
  02 weil sie gleichwohl synthetische Urtheile a priori sind, hier nothwendig      
  03 Platz finden, zwar nicht, um ihre Richtigkeit und apodiktische Gewißheit      
  04 zu beweisen, welches sie gar nicht nöthig haben, sondern nur die      
  05 Möglichkeit solcher evidenten Erkenntnisse a priori begreiflich zu machen      
  06 und zu deduciren.      
           
  07 Wir werden aber auch von dem Grundsatze analytischer Urtheile reden      
  08 müssen und dieses zwar im Gegensatz mit dem der synthetischen, als mit      
  09 welchen wir uns eigentlich beschäftigen, weil eben diese Gegenstellung die      
  10 Theorie der letzteren von allem Mißverstande befreiet und sie in ihrer      
  11 eigenthümlichen Natur deutlich vor Augen legt.      
           
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Des
     
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Systems der Grundsätze des reinen Verstandes
     
           
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Erster Abschnitt.
     
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Von dem obersten Grundsatze aller analytischen Urtheile.
     
           
  16 Von welchem Inhalt auch unsere Erkenntniß sei, und wie sie sich auf      
  17 das Object beziehen mag, so ist doch die allgemeine, obzwar nur negative      
  18 Bedingung aller unserer Urtheile überhaupt, daß sie sich nicht selbst widersprechen,      
  19 widrigenfalls diese Urtheile an sich selbst (auch ohne Rücksicht      
  20 aufs Object) nichts sind. Wenn aber auch gleich in unserm Urtheile kein      
  21 Widerspruch ist, so kann es demungeachtet doch Begriffe so verbinden, wie      
  22 es der Gegenstand nicht mit sich bringt, oder auch, ohne daß uns irgend      
  23 ein Grund weder a priori noch a posteriori gegeben ist, welcher ein solches      
  24 Urtheil berechtigte; und so kann ein Urtheil bei allem dem, daß es von      
  25 allem innern Widerspruche frei ist, doch entweder falsch oder grundlos sein.      
           
  26 Der Satz nun: Keinem Dinge kommt ein Prädicat zu, welches ihm      
  27 widerspricht, heißt der Satz des Widerspruchs und ist ein allgemeines, obzwar      
  28 bloß negatives Kriterium aller Wahrheit, gehört aber auch darum      
  29 bloß in die Logik, weil er von Erkenntnissen bloß als Erkenntnissen überhaupt      
  30 unangesehen ihres Inhalts gilt und sagt: daß der Widerspruch sie      
  31 gänzlich vernichte und aufhebe.      
           
  32 Man kann aber doch von demselben auch einen positiven Gebrauch      
  33 machen, d. i. nicht bloß um Falschheit und Irrthum (so fern er auf dem      
  34 Widerspruch beruht) zu verbannen, sondern auch Wahrheit zu erkennen.      
           
     

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