Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 258

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 des Denkens überhaupt. Wenn man diese Untereintheilung mit der oberen      
  02 verbindet, so ist alles Verhältniß der Vorstellungen, davon wir uns entweder      
  03 einen Begriff oder Idee machen können, dreifach: 1. das Verhältniß      
  04 zum Subject, 2. zum Mannigfaltigen des Objects in der Erscheinung,      
  05 3. zu allen Dingen überhaupt.      
           
  06 Nun haben es alle reine Begriffe überhaupt mit der synthetischen      
  07 Einheit der Vorstellungen, Begriffe der reinen Vernunft (transscendentale      
  08 Ideen) aber mit der unbedingten synthetischen Einheit aller Bedingungen      
  09 überhaupt zu thun. Folglich werden alle transscendentale Ideen sich      
  10 unter drei Classen bringen lassen, davon die erste die absolute (unbedingte)      
  11 Einheit des denkenden Subjects, die zweite die absolute      
  12 Einheit der Reihe der Bedingungen der Erscheinung, die dritte      
  13 die absolute Einheit der Bedingung aller Gegenstände des Denkens      
  14 überhaupt enthält.      
           
  15 Das denkende Subject ist der Gegenstand der Psychologie, der Inbegriff      
  16 aller Erscheinungen (die Welt) der Gegenstand der Kosmologie,      
  17 und das Ding, welches die oberste Bedingung der Möglichkeit von allem,      
  18 was gedacht werden kann, enthält (das Wesen aller Wesen), der Gegenstand      
  19 der Theologie. Also giebt die reine Vernunft die Idee zu einer      
  20 transscendentalen Seelenlehre ( psychologia rationalis ), zu einer transscendentalen      
  21 Weltwissenschaft ( cosmologia rationalis ), endlich auch zu      
  22 einer transscendentalen Gotteserkenntniß ( theologia transscendentalis )      
  23 an die Hand. Der bloße Entwurf sogar zu einer sowohl als der andern      
  24 dieser Wissenschaften schreibt sich gar nicht von dem Verstande her, selbst      
  25 wenn er gleich mit dem höchsten logischen Gebrauche der Vernunft, d. i.      
  26 allen erdenklichen Schlüssen verbunden wäre, um von einem Gegenstande      
  27 desselben (Erscheinung) zu allen anderen bis in die entlegensten Glieder      
  28 der empirischen Synthesis fortzuschreiten, sondern ist lediglich ein reines      
  29 und ächtes Product oder Problem der reinen Vernunft.      
           
  30 Was unter diesen drei Titeln aller transscendentalen Ideen für modi      
  31 der reinen Vernunftbegriffe stehen, wird in dem folgenden Hauptstücke      
  32 vollständig dargelegt werden. Sie laufen am Faden der Kategorien fort.      
  33 Denn die reine Vernunft bezieht sich niemals geradezu auf Gegenstände,      
  34 sondern auf die Verstandesbegriffe von denselben. Eben so wird sich auch      
  35 nur in der völligen Ausführung deutlich machen lassen, wie die Vernunft      
  36 lediglich durch den synthetischen Gebrauch eben derselben Function, deren      
  37 sie sich zum kategorischen Vernunftschlusse bedient, nothwendiger Weise      
           
     

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