Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 219

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 die davon nicht zu trennen ist, weil das Bewußtsein an      
  02 sich nicht sowohl eine Vorstellung ist, die ein besonderes Object unterscheidet,      
  03 sondern eine Form derselben überhaupt, so fern sie Erkenntniß      
  04 genannt werden soll; denn von der allein kann ich sagen, daß ich dadurch      
  05 irgend etwas denke.      
           
  06 Es muß aber gleich anfangs befremdlich scheinen, daß die Bedingung,      
  07 unter der ich überhaupt denke und die mithin blos eine Beschaffenheit      
  08 meines Subjects ist, zugleich für alles, was denkt, gültig sein solle, und      
  09 daß wir auf einen empirisch scheinenden Satz ein apodiktisches und allgemeines      
  10 Urtheil zu gründen uns anmaßen können, nämlich daß alles, was      
  11 denkt, so beschaffen sei, als der Ausspruch des Selbstbewußtseins es an      
  12 mir aussagt. Die Ursache aber hievon liegt darin, daß wir den Dingen      
  13 a priori alle die Eigenschaften nothwendig beilegen müssen, die die Bedingungen      
  14 ausmachen, unter welchen wir sie allein denken. Nun kann ich      
  15 von einem denkenden Wesen durch keine äußere Erfahrung, sondern blos      
  16 durch das Selbstbewußtsein die mindeste Vorstellung haben. Also sind      
  17 dergleichen Gegenstände nichts weiter, als die Übertragung dieses meines      
  18 Bewußtseins auf andere Dinge, welche nur dadurch als denkende Wesen      
  19 vorgestellt werden. Der Satz: Ich denke, wird aber hiebei nur problematisch      
  20 genommen, nicht so fern er eine Wahrnehmung von einem Dasein      
  21 enthalten mag (das Cartesianische cogito; ergo sum ), sondern seiner      
  22 bloßen Möglichkeit nach, um zu sehen, welche Eigenschaften aus diesem so      
  23 einfachen Satze auf das Subject desselben (es mag dergleichen nun existiren      
  24 oder nicht) fließen mögen.      
           
  25 Läge unserer reinen Vernunfterkenntniß von denkenden Wesen überhaupt      
  26 mehr als das cogito zum Grunde; würden wir die Beobachtungen      
  27 über das Spiel unserer Gedanken und die daraus zu schöpfende Naturgesetze      
  28 des denkenden Selbst auch zu Hülfe nehmen: so würde eine empirische      
  29 Psychologie entspringen, welche eine Art der Physiologie des inneren      
  30 Sinnes sein würde und vielleicht die Erscheinungen desselben zu erklären,      
  31 niemals aber dazu dienen könnte, solche Eigenschaften, die gar nicht zur      
  32 möglichen Erfahrung gehören (als die des Einfachen) zu eröffnen, noch      
  33 von denkenden Wesen überhaupt etwas, das ihre Natur betrifft, apodiktisch      
  34 zu lehren; sie wäre also keine rationale Psychologie.      
           
  35 Da nun der Satz: Ich denke (problematisch genommen), die Form      
  36 eines jeden Verstandesurtheils überhaupt enthält und alle Kategorien als      
  37 ihr Vehikel begleitet, so ist klar, daß die Schlüsse aus demselben einen blos      
           
     

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