Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 049

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Wesen, dem Mechanismus der Naturnothwendigkeit, vom Bedingten      
  02 zur Bedingung ins Unendliche zurückzugehen, Gerechtigkeit widerfahren      
  03 lasse, andererseits aber der speculativen Vernunft den für sie leeren      
  04 Platz offen erhalte, nämlich das Intelligibele, um das Unbedingte dahin      
  05 zu versetzen. Ich konnte aber diesen Gedanken nicht realisiren, d. i. ihn      
  06 nicht in Erkenntniß eines so handelnden Wesens auch nur blos seiner      
  07 Möglichkeit nach verwandeln. Diesen leeren Platz füllt nun reine praktische      
  08 Vernunft durch ein bestimmtes Gesetz der Causalität in einer intelligibelen      
  09 Welt( durch Freiheit), nämlich das moralische Gesetz, aus. Hiedurch      
  10 wächst nun zwar der speculativen Vernunft in Ansehung ihrer Einsicht      
  11 nichts zu, aber doch in Ansehung der Sicherung ihres problematischen      
  12 Begriffs der Freiheit, welchem hier objective und, obgleich nur praktische,      
  13 dennoch unbezweifelte Realität verschafft wird. Selbst den Begriff der      
  14 Causalität, dessen Anwendung, mithin auch Bedeutung eigentlich nur in      
  15 Beziehung auf Erscheinungen, um sie zu Erfahrungen zu verknüpfen,      
  16 stattfindet (wie die Kritik der reinen Vernunft beweiset), erweitert sie nicht      
  17 so, daß sie seinen Gebrauch über gedachte Grenzen ausdehne. Denn wenn      
  18 sie darauf ausginge, so müßte sie zeigen wollen, wie das logische Verhältniß      
  19 des Grundes und der Folge bei einer anderen Art von Anschauung,      
  20 als die sinnliche ist, synthetisch gebraucht werden könne, d. i. wie      
  21 causa noumenon möglich sei; welches sie gar nicht leisten kann, worauf      
  22 sie aber auch als praktische Vernunft gar nicht Rücksicht nimmt, indem sie      
  23 nur den Bestimmungsgrund der Causalität des Menschen als Sinnenwesens      
  24 (welche gegeben ist) in der reinen Vernunft (die darum praktisch      
  25 heißt) setzt und also den Begriff der Ursache selbst, von dessen Anwendung      
  26 auf Objecte zum Behuf theoretischer Erkenntnisse sie hier gänzlich      
  27 abstrahiren kann (weil dieser Begriff immer im Verstande, auch unabhängig      
  28 von aller Anschauung, a priori angetroffen wird), nicht um      
  29 Gegenstände zu erkennen, sondern die Causalität in Ansehung derselben      
  30 überhaupt zu bestimmen, also in keiner andern als praktischen Absicht      
  31 braucht und daher den Bestimmungsgrund des Willens in die intelligibele      
  32 Ordnung der Dinge verlegen kann, indem sie zugleich gerne gesteht, das,      
  33 was der Begriff der Ursache zur Erkenntniß dieser Dinge für eine Bestimmung      
  34 haben möge, gar nicht zu verstehen. Die Causalität in Ansehung      
  35 der Handlungen des Willens in der Sinnenwelt muß sie allerdings      
  36 auf bestimmte Weise erkennen, denn sonst könnte praktische Vernunft wirklich      
  37 keine That hervorbringen. Aber den Begriff, den sie von ihrer eigenen      
           
     

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