Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 324

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 sein und ganz verschiedene Künstler erfordern; das Geschmacksurtheil      
  02 ist doch über das, was in dieser Kunst schön ist, sofern auf      
  03 einerlei Art bestimmt: nämlich nur die Formen (ohne Rücksicht auf einen      
  04 Zweck) so, wie sie sich dem Auge darbieten, einzeln oder in ihrer Zusammensetzung      
  05 nach der Wirkung, die sie auf die Einbildungskraft thun, zu      
  06 beurtheilen. - Wie aber bildende Kunst zur Geberdung in einer Sprache      
  07 (der Analogie nach) gezählt werden könne, wird dadurch gerechtfertigt,      
  08 daß der Geist des Künstlers durch diese Gestalten von dem, was und wie      
  09 er gedacht hat, einen körperlichen Ausdruck giebt und die Sache selbst      
  10 gleichsam mimisch sprechen macht: ein sehr gewöhnliches Spiel unserer      
  11 Phantasie, welche leblosen Dingen ihrer Form gemäß einen Geist unterlegt,      
  12 der aus ihnen spricht.      
           
  13 3) Die Kunst des schönen Spiels der Empfindungen (die von      
  14 außen erzeugt werden und das sich gleichwohl doch muß allgemein mittheilen      
  15 lassen) kann nichts anders als die Proportion der verschiedenen      
  16 Grade der Stimmung (Spannung) des Sinns, dem die Empfindung angehört,      
  17 d. i. den Ton desselben, betreffen; und in dieser weitläuftigen Bedeutung      
  18 des Worts kann sie in das künstliche Spiel der Empfindungen      
  19 des Gehörs und der des Gesichts, mithin in Musik und Farbenkunst      
  20 eingetheilt werden. - Es ist merkwürdig: daß diese zwei Sinne außer      
  21 der Empfänglichkeit für Eindrücke, so viel davon erforderlich ist, um von      
  22 äußern Gegenständen vermittelst ihrer Begriffe zu bekommen, noch einer      
  23 besondern damit verbundenen Empfindung fähig sind, von welcher man      
  24 nicht recht ausmachen kann, ob sie den Sinn, oder die Reflexion zum      
  25 Grunde habe; und daß diese Affectibilität doch bisweilen mangeln kann,      
  26 obgleich der Sinn übrigens, was seinen Gebrauch zum Erkenntniß der      
  27 Objecte betrifft, gar nicht mangelhaft, sondern wohl gar vorzüglich fein      
  28 ist. Das heißt, man kann nicht mit Gewißheit sagen: ob eine Farbe oder      
  29 ein Ton (Klang) bloß angenehme Empfindungen, oder an sich schon ein      
  30 schönes Spiel von Empfindungen sei und als ein solches ein Wohlgefallen      
  31 an der Form in der ästhetischen Beurtheilung bei sich führe. Wenn man      
  32 die Schnelligkeit der Licht= oder, in der zweiten Art, der Luftbebungen,      
  33 die alles unser Vermögen, die Proportion der Zeiteintheilung durch dieselben      
  34 unmittelbar bei der Wahrnehmung zu beurtheilen, wahrscheinlicherweise      
  35 bei weitem übertrifft, bedenkt: so sollte man glauben, nur die Wirkung      
  36 dieser Zitterungen auf die elastischen Theile unsers Körpers werde      
  37 empfunden, die Zeiteintheilung durch dieselben aber nicht bemerkt und      
           
     

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