Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 347

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 wir haben gezeigt, daß es auch Gründe des Wohlgefallens a priori gebe,      
  02 die also mit dem Princip des Rationalisms zusammen bestehen können,      
  03 ungeachtet sie nicht in bestimmte Begriffe gefaßt werden können.      
           
  04 Der Rationalism des Princips des Geschmacks ist dagegen entweder      
  05 der des Realisms der Zweckmäßigkeit, oder des Idealisms derselben.      
  06 Weil nun ein Geschmacksurtheil kein Erkenntnißurtheil und Schönheit      
  07 keine Beschaffenheit des Objects, für sich betrachtet, ist: so kann der      
  08 Rationalism des Princips des Geschmacks niemals darin gesetzt werden,      
  09 daß die Zweckmäßigkeit in diesem Urtheile als objectiv gedacht werde, d. i.      
  10 daß das Urtheil theoretisch, mithin auch logisch (wenn gleich nur in einer      
  11 verworrenen Beurtheilung) auf die Vollkommenheit des Objects, sondern      
  12 nur ästhetisch, auf die Übereinstimmung seiner Vorstellung in der Einbildungskraft      
  13 mit den wesentlichen Principien der Urtheilskraft überhaupt,      
  14 im Subjecte gehe. Folglich kann selbst nach dem Princip des Rationalisms      
  15 das Geschmacksurtheil und der Unterschied des Realisms und      
  16 Idealisms desselben nur darin gesetzt werden, daß entweder jene subjective      
  17 Zweckmäßigkeit im erstern Falle als wirklicher (absichtlicher) Zweck der      
  18 Natur (oder der Kunst) mit unserer Urtheilskraft übereinzustimmen, oder      
  19 im zweiten Falle nur als eine ohne Zweck von selbst und zufälliger Weise      
  20 sich hervorthuende zweckmäßige Übereinstimmung zu dem Bedürfniß der      
  21 Urtheilskraft in Ansehung der Natur und ihrer nach besondern Gesetzen      
  22 erzeugten Formen angenommen werde.      
           
  23 Dem Realism der ästhetischen Zweckmäßigkeit der Natur, da man      
  24 nämlich annehmen möchte, daß der Hervorbringung des Schönen eine      
  25 Idee desselben in der hervorbringenden Ursache, nämlich ein Zweck zu      
  26 Gunsten unserer Einbildungskraft, zum Grunde gelegen habe, reden die      
  27 schönen Bildungen im Reiche der organisirten Natur gar sehr das Wort.      
  28 Die Blumen, Blüthen, ja die Gestalten ganzer Gewächse, die für ihren      
  29 eigenen Gebrauch unnöthige, aber für unsern Geschmack gleichsam ausgewählte      
  30 Zierlichkeit der thierischen Bildungen von allerlei Gattungen; vornehmlich      
  31 die unsern Augen so wohlgefällige und reizende Mannigfaltigkeit      
  32 und harmonische Zusammensetzung der Farben (am Fasan, an Schalthieren,      
  33 Insecten, bis zu den gemeinsten Blumen), die, indem sie bloß die      
  34 Oberfläche und auch an dieser nicht einmal die Figur der Geschöpfe, welche      
  35 doch noch zu den innern Zwecken derselben erforderlich sein könnte, betreffen,      
  36 gänzlich auf äußere Beschauung abgezweckt zu sein scheinen: geben      
           
     

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