Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 408

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Vorstellung eines Ganzen den Grund der Möglichkeit der Form desselben      
  02 und der dazu gehörigen Verknüpfung der Theile enthalte. Da das      
  03 Ganze nun aber alsdann eine Wirkung, Product, sein würde, dessen      
  04 Vorstellung als die Ursache seiner Möglichkeit angesehen wird, das      
  05 Product aber einer Ursache, deren Bestimmungsgrund bloß die Vorstellung      
  06 ihrer Wirkung ist, ein Zweck heißt: so folgt daraus, daß es bloß eine      
  07 Folge aus der besondern Beschaffenheit unseres Verstandes sei, wenn wir      
  08 Produkte der Natur nach einer andern Art der Causalität, als der der      
  09 Naturgesetze der Materie, nämlich nur nach der der Zwecke und Endursachen,      
  10 uns als möglich vorstellen, und daß dieses Princip nicht die Möglichkeit      
  11 solcher Dinge selbst (selbst als Phänomene betrachtet) nach dieser      
  12 Erzeugungsart, sondern nur die unserem Verstande mögliche Beurtheilung      
  13 derselben angehe. Wobei wir zugleich einsehen, warum wir in der Naturkunde      
  14 mit einer Erklärung der Producte der Natur durch Causalität nach      
  15 Zwecken lange nicht zufrieden sind, weil wir nämlich in derselben die Naturerzeugung      
  16 bloß unserm Vermögen sie zu beurtheilen, d. i. der reflectirenden      
  17 Urtheilskraft und nicht den Dingen selbst zum Behuf der bestimmenden      
  18 Urtheilskraft angemessen zu beurtheilen verlangen. Es ist hiebei      
  19 auch gar nicht nöthig zu beweisen, daß ein solcher intellectus archetypus      
  20 möglich sei, sondern nur daß wir in der Dagegenhaltung unseres discursiven,      
  21 der Bilder bedürftigen Verstandes ( intellectus ectypus ) und der      
  22 Zufälligkeit einer solchen Beschaffenheit auf jene Idee (eines intellectus      
  23 archetypus ) geführt werden, diese auch keinen Widerspruch enthalte.      
           
  24 Wenn wir nun ein Ganzes der Materie seiner Form nach als ein      
  25 Product der Theile und ihrer Kräfte und Vermögen sich von selbst zu verbinden      
  26 (andere Materien, die diese einander zuführen, hinzugedacht) betrachten:      
  27 so stellen wir uns eine mechanische Erzeugungsart desselben vor.      
  28 Aber es kommt auf solche Art kein Begriff von einem Ganzen als Zweck      
  29 heraus, dessen innere Möglichkeit durchaus die Idee von einem Ganzen      
  30 voraussetzt, von der selbst die Beschaffenheit und Wirkungsart der Theile      
  31 abhängt, wie wir uns doch einen organisirten Körper vorstellen müssen.      
  32 Hieraus folgt aber, wie eben gewiesen worden, nicht, daß die mechanische      
  33 Erzeugung eines solchen Körpers unmöglich sei; denn das würde soviel      
  34 sagen, als, es sei eine solche Einheit in der Verknüpfung des Mannigfaltigen      
  35 für jeden Verstand unmöglich (d. i. widersprechend) sich vorzustellen,      
  36 ohne daß die Idee derselben zugleich die erzeugende Ursache derselben      
  37 sei, d. i. ohne absichtliche Hervorbringung. Gleichwohl würde dieses      
           
     

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