Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 169

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 zu können und der beschwerlichen ununterbrochenen Bemühung,      
  02 auf das Innerste unsrer moralischen Gesinnung zu wirken, überhoben zu      
  03 werden glauben. Der Grundsatz, den der Mensch sich für dieses Verhältniß      
  04 gewöhnlich macht, ist: daß durch alles, was wir lediglich darum thun,      
  05 um der Gottheit wohl zu gefallen, (wenn es nur nicht eben der Moralität      
  06 geradezu widerstreitet, ob es gleich dazu nicht das mindeste beiträgt) wir      
  07 Gott unsere Dienstwilligkeit als gehorsame und eben darum wohlgefällige      
  08 Unterthanen beweisen, also auch Gott ( in potentia ) dienen. - Es dürfen      
  09 nicht immer Aufopferungen sein, dadurch der Mensch diesen Dienst Gottes      
  10 zu verrichten glaubt: auch Feierlichkeiten, selbst öffentliche Spiele, wie bei      
  11 Griechen und Römern, haben oft dazu dienen müssen und dienen noch      
  12 dazu, um die Gottheit einem Volke, oder auch den einzelnen Menschen      
  13 ihrem Wahne nach günstig zu machen. Doch sind die ersteren (die Büßungen,      
  14 Kasteiungen, Wallfahrten u. d. g.) jederzeit für kräftiger, auf die      
  15 Gunst des Himmels wirksamer und zur Entsündigung tauglicher gehalten      
  16 worden, weil sie die unbegrenzte (obgleich nicht moralische) Unterwerfung      
  17 unter seinem Willen stärker zu bezeichnen dienen. Je unnützer solche      
  18 Selbstpeinigungen sind, je weniger sie auf die allgemeine moralische      
  19 Besserung des Menschen abgezweckt sind, desto heiliger scheinen sie zu sein:      
  20 weil sie eben darum, daß sie in der Welt zu gar nichts nutzen, aber doch      
  21 Mühe kosten, lediglich zur Bezeugung der Ergebenheit gegen Gott abgezweckt      
  22 zu sein scheinen. - Obgleich, sagt man, Gott hierbei durch die That      
  23 in keiner Absicht gedient worden ist, so sieht er doch hierin den guten      
  24 Willen, das Herz, an, welches zwar zur Befolgung seiner moralischen Gebote      
  25 zu schwach ist, aber durch seine hierzu bezeugte Bereitwilligkeit diese      
  26 Ermangelung wieder gut macht. Hier ist nun der Hang zu einem Verfahren      
  27 sichtbar, das für sich keinen moralischen Werth hat, als etwa nur      
  28 als Mittel, das sinnliche Vorstellungsvermögen zur Begleitung intellectueller      
  29 Ideen des Zwecks zu erhöhen, oder um, wenn es den letztern etwa      
           
     

[ Seite 168 ] [ Seite 170 ] [ Inhaltsverzeichnis ]