Kant: AA VIII, Nachricht an ... , Seite 007

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 männlichen Geschlecht, die am meisten ausgehen mußten, viele Mägde gleichfalls,      
  02 und auch Leute von höherem Stande wurden davon angegriffen. Auch Kinder      
  03 blieben nicht gänzlich frei. Die Krankheit, die bishero sich selbst überlassen war,      
  04 oder wobei höchstens die gewöhnliche Hausmittel bei Verkältungen waren gebraucht      
  05 worden, erregte endlich die Aufmerksamkeit der Facultät, und während einer Zeit      
  06 von beinahe 3 Wochen wurden alle Ärzte damit beschäftiget. Die meisten von den      
  07 Patienten, die ich gesehen habe, wurden angegriffen (und oft so plötzlich, daß sie      
  08 es sogleich merkten) mit einem Schwindel oder geringen Schmerzen im Kopf, einem      
  09 rohen Halse und Gefühl von Kälte über den ganzen Körper, besonders in den      
  10 Extremitäten; - ein Husten folgte bald darauf, Schnupfen, wäßrichte Augen, Übligkeiten,      
  11 öfterer Trieb zum Uriniren, und einige bekamen einen Durchfall,      
  12 mehr oder weniger fieberhafte Hitze; Unruhe, worauf Brustschmerzen und Schmerzen      
  13 in allen Gliedern bald folgten; nur in verschiedenem Grade. - Viele konnten      
  14 während dieser Symptomen noch ihren Geschäften nachgehen; andere mußten ihre      
  15 Zimmer und nicht wenige ihre Betten hüten. - - Die Zunge war jederzeit feucht,      
  16 die Haut selten außerordentlich heiß oder trocken; der Puls oft voll, ging schnell      
  17 und stärker, als man bei einer solchen Beschaffenheit der Haut vermuthet haben      
  18 würde. - Viele wurden durch einen Durchlauf angegriffen. Die natürlichen Stuhlgänge      
  19 waren jederzeit schwarz oder dunkelgelb, und eben so waren die meisten, die      
  20 durch purgirende Mittel zuwege gebracht wurden. - - In wenigen Tagen lie      
  21 die Krankheit nach bis auf den Husten, der am längsten anhielt und bei Anfang      
  22 der Nacht den Patienten sehr incommodirte. Gegen Morgen stellte sich gemeinhin      
  23 der Schweiß ein mit leichtem Auswurf. Diejenigen, so zu Anfangs starkes Laufen      
  24 aus der Nase und dem Schlunde hatten, und 1 oder 2 Nächte darauf starke      
  25 natürliche Stuhlgänge von schwarzer gallichter Art, viel und hochgefärbten Urin      
  26 ließen und von selbst viel schwitzten, - wurden am ersten gesund.      
           
  27 In vielen Fällen war es nöthig, wegen der Beschaffenheit des Pulses und      
  28 Heftigkeit des Hustens etwas Blut zu lassen; das Blut war gemeinhin zähe und      
  29 sahe einem platten Kuchen von gelben Talg ähnlich, welcher in einem tief gelben      
  30 Serum schwamm. - Es fanden sich wenige Fälle, wo der Leim die Tassen ähnliche      
  31 Form annahm, die bei den ächten hitzigen Krankheiten gewöhnlich angetroffen wird.      
           
  32 Durch warme, verdünnende, kühlende Getränke, gelinde schweißtreibende und wiederholte      
  33 gelinde Reinigungsmittel wurde die Krankheit bei sonst gesunden Leuten bald      
  34 gehoben; zuweilen waren Wiederholungen des Aderlassens nöthig; zuweilen wurden      
  35 spanische Fliegen mit Nutzen wider den Husten gebraucht, welcher immer am längsten      
  36 anhielt. Nach den nöthigen Ausleerungen thaten Anodyna gemeinhin gute Wirkung.      
           
  37 In vielen Fällen nahm die Krankheit gegen das Ende das Ansehen eines intermittirenden      
  38 Fiebers an; die Fieberrinde hat es aber nicht allezeit heben können.      
  39 Die Symptomen, wie es sich oft bei gallichten Krankheiten ereignet, wurden zuweilen      
  40 durch diese Arzneimittel noch übler. Einige Dosen von irgend einem gelinden      
  41 Abführungsmittel haben es aber gemeinhin gänzlich gehoben.      
           
  42 Viele Leute, die die Krankheit nicht achteten und dabei umher gingen, bekamen      
  43 oft neue Verkältungen, welche die gefährlichsten Fieber hervorbrachten, und      
  44 einige starben rasend.      
           
           
     

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