Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 295

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Sätzen erforderlich ist, Gesetze vorträgt, unter denen die Natur      
  02 steht. Ich darf hier nur diejenige Propädeutik der Naturlehre, die unter      
  03 dem Titel der allgemeinen Naturwissenschaft vor aller Physik (die auf empirische      
  04 Principien gegründet ist) vorhergeht, zum Zeugen rufen. Darin      
  05 findet man Mathematik, angewandt auf Erscheinungen, auch blos discursive      
  06 Grundsätze (aus Begriffen), welche den philosophischen Theil der reinen      
  07 Naturerkenntniß ausmachen. Allein es ist doch auch manches in ihr, was      
  08 nicht ganz rein und von Erfahrungsquellen unabhängig ist: als der Begriff      
  09 der Bewegung, der Undurchdringlichkeit (worauf der empirische      
  10 Begriff der Materie beruht), der Trägheit u. a. m., welche es verhindern,      
  11 daß sie nicht ganz reine Naturwissenschaft heißen kann; zudem      
  12 geht sie nur auf die Gegenstände äußerer Sinne, also giebt sie kein Beispiel      
  13 von einer allgemeinen Naturwissenschaft in strenger Bedeutung,      
  14 denn die muß die Natur überhaupt, sie mag den Gegenstand äußerer      
  15 Sinne oder den des inneren Sinnes (den Gegenstand der Physik sowohl      
  16 als Psychologie) betreffen, unter allgemeine Gesetze bringen. Es finden      
  17 sich aber unter den Grundsätzen jener allgemeinen Physik etliche, die wirklich      
  18 die Allgemeinheit haben, die wir verlangen, als der Satz: daß die      
  19 Substanz bleibt und beharrt, daß alles, was geschieht, jederzeit      
  20 durch eine Ursache nach beständigen Gesetzen vorher bestimmt sei,      
  21 u. s. w. Diese sind wirklich allgemeine Naturgesetze, die völlig a priori      
  22 bestehen. Es giebt also in der That eine reine Naturwissenschaft, und nun      
  23 ist die Frage: wie ist sie möglich?      
           
  24
§ 16.
     
           
  25 Noch nimmt das Wort Natur eine andre Bedeutung an, die nämlich      
  26 das Object bestimmt, indessen daß in der obigen Bedeutung sie nur die      
  27 Gesetzmäßigkeit der Bestimmungen des Daseins der Dinge überhaupt      
  28 andeutete. Natur also, materialiter betrachtet, ist der Inbegriff aller      
  29 Gegenstände der Erfahrung. Mit dieser haben wir es hier nur zu      
  30 thun, da ohnedem Dinge, die niemals Gegenstände einer Erfahrung werden      
  31 können, wenn sie nach ihrer Natur erkannt werden sollten, uns zu Begriffen      
  32 nöthigen würden, deren Bedeutung niemals in concreto (in irgend      
  33 einem Beispiele einer möglichen Erfahrung) gegeben werden könnte, und      
  34 von deren Natur wir uns also lauter Begriffe machen müßten, deren Realität,      
  35 d. i. ob sie wirklich sich auf Gegenstände beziehen, oder bloße Gedankendinge      
           
     

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