Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 350

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Organisation erforderlichen Materie auch ästhetisch=zweckmäßig zu bilden,      
  02 zugeschrieben werden könne.      
           
  03 Was aber das Princip der Idealität der Zweckmäßigkeit im      
  04 Schönen der Natur, als dasjenige, welches wir im ästhetischen Urtheile      
  05 selbst jederzeit zum Grunde legen, und welches uns keinen Realism eines      
  06 Zwecks derselben für unsere Vorstellungskraft zum Erklärungsgrunde zu      
  07 brauchen erlaubt, geradezu beweiset: ist, daß wir in der Beurtheilung der      
  08 Schönheit überhaupt das Richtmaß derselben a priori in uns selbst suchen,      
  09 und die ästhetische Urtheilskraft in Ansehung des Urtheils, ob etwas schön      
  10 sei oder nicht, selbst gesetzgebend ist, welches bei Annehmung des Realisms      
  11 der Zweckmäßigkeit der Natur nicht Statt finden kann, weil wir da von      
  12 der Natur lernen müßten, was wir schön zu finden hätten, und das Geschmacksurtheil      
  13 empirischen Principien unterworfen sein würde. Denn in      
  14 einer solchen Beurtheilung kommt es nicht darauf an, was die Natur ist,      
  15 oder auch für uns als Zweck ist, sondern wie wir sie aufnehmen. Es      
  16 würde immer eine objective Zweckmäßigkeit der Natur sein, wenn sie für      
  17 unser Wohlgefallen ihre Formen gebildet hätte; und nicht eine subjective      
  18 Zweckmäßigkeit, welche auf dem Spiele der Einbildungskraft in ihrer Freiheit      
  19 beruhte, wo es Gunst ist, womit wir die Natur aufnehmen, nicht      
  20 Gunst, die sie uns erzeigt. Die Eigenschaft der Natur, daß sie für uns      
  21 Gelegenheit enthält, die innere Zweckmäßigkeit in dem Verhältnisse unserer      
  22 Gemüthskräfte in Beurtheilung gewisser Producte derselben wahrzunehmen,      
  23 und zwar als eine solche, die aus einem übersinnlichen Grunde für nothwendig      
  24 und allgemeingültig erklärt werden soll, kann nicht Naturzweck      
  25 sein, oder vielmehr von uns als ein solcher beurtheilt werden: weil sonst      
  26 das Urtheil, das dadurch bestimmt würde, Heteronomie, aber nicht, wie      
  27 es einem Geschmacksurtheile geziemt, frei sein und Autonomie zum Grunde      
  28 haben würde.      
           
  29 In der schönen Kunst ist das Princip des Idealisms der Zweckmäßigkeit      
  30 noch deutlicher zu erkennen. Denn daß hier nicht ein ästhetischer      
  31 Realism derselben durch Empfindungen (wobei sie statt schöner bloß      
  32 angenehme Kunst sein würde) angenommen werden könne: das hat sie      
  33 mit der schönen Natur gemein. Allein daß das Wohlgefallen durch ästhetische      
  34 Ideen nicht von der Erreichung bestimmter Zwecke (als mechanisch      
  35 absichtliche Kunst) abhängen müsse, folglich selbst im Rationalism des      
  36 Princips Idealität der Zwecke, nicht Realität derselben zum Grunde liege:      
  37 leuchtet auch schon dadurch ein, daß schöne Kunst als solche nicht als ein      
           
     

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